SCP07 goes USA – Vincenz ist mit dabei
Der SC Paderborn 07 ist gerade auf großer USA-Tour: Es geht von Minnesota über Wisconsin nach Illinois. In einem Trainingslager bereitet sich die Mannschaft dort auf die kommende Spielzeit in der 2. Bundesliga vor.

Auch unser Chefarzt Dr. Lutz Mahlke ist als Mannschaftsarzt mit von der Partie. Er lässt uns an dem Trip in die USA teilhaben:
Part I
Bereits seit zwei Tagen befand sich die Mannschaft in Minnesota und hatte neben den Trainings auch öffentliche Termine, z.B. in der größten deutschen Schule in den USA. Am Samstag konnte ich mich nun ebenfalls in den Flieger setzen. Nach 17 Stunden Anreise nach Minneapolis, gleich ein schöner Start in Amerika: Sonst sind die Grenzbeamten bei der Einreise eher ausgesprochen formell und spaß-befreit. Diesmal wurde ich aber gleich anhand meiner Teamkleidung als Teil des in der Stadt befindlichen Soccerteams identifiziert. So kam es direkt zu einem richtig freundlichen Empfang durch den Officer. Nach kurzem Aufenthalt im Hotel ging es für mich mit unserem Team zum ersten Testspiel gegen Minnesota United, einem Major League Soccer Team. Das erst 2019 eingeweihte Allianz Field Stadion fasst ca. 20.000 Zuschauer und ist extrem beeindruckend: Live Übertragung des Spiels auf der Großbildleinwand, einschließlich von Zeitlupen-Wiederholungen, ein barrikadefreier Zugang der Zuschauer und beste Bedingungen auf dem Spielfeld wie in der Kabine etc. etc. Das kennen wir in Deutschland nicht so. Die offene Art unserer Gastgeber und die Begeisterung der ca. 15.000 Zuschauer machten es zu einem ganz besonderen Erlebnis!
Für uns sehr beeindruckend war natürlich das Abspielen der Nationalhymnen von Deutschland und den Vereinigten Staaten nach dem Einlaufen. Unsere erst seit fünf Tagen trainierende Mannschaft, die mit 10 neuen Spielern antrat, musste sich letztendlich mit 4:3 geschlagen geben.
Das medizinische Team aus Dr. Hemmen, Dr. Porsch und mir konnten vor dem Spiel mit den drei Kollegen aus Minneapolis Erfahrungen austauschen. Die dortigen Kollegen umfassen eine Präventions-und Rehamedizinerin, einen Allgemeinmediziner und einen Orthopäden.
Nach dem Spiel wurden wir vom Trainerstab des Gegners noch zu Drinks und tollen Gesprächen eingeladen. Der Abend endete mit dem Reinfeiern in den Geburtstag unseres Cheftrainers Lukas Kwasniok. Am nächsten Tag steht die Reise nach Madison, Wisconsin, unser zweites Station, auf dem Plan. Ich werde berichten…
Part II
Am gestrigen Tag sind wir nach einem kurzen Lauf am Vormittag - hin und zurück über den auch in Minneapolis schon breiten Mississippi - mit dem Bus zu unserer 2. Station Madison, Wisconsin aufgebrochen. 4,5 Stunden Fahrt durch dichte Wälder und saftige Wiesen. Madison ist eine hübsche Universitätsstadt mit 270.000 Einwohnern und die Hauptstadt des Bundesstaates Wisconsin.
Nach kurzem Check In im Hotel ging es gleich weiter zu einem Barbecue mit unserem nächsten Gegner, Forward Madison. Offen, wie die Amerikaner sind, ergaben sich schnell deutsch-amerikanische Gespräche. Wir freuen uns schon auf das Spiel am Mittwoch dort im Stadion!
Heute, Montag, ging es dann zunächst zum Training auf dem Gelände der University of Wisconsin. Schon der Weg dahin war ein Abenteuer: Ein Zug war mitten auf der Überführung liegen geblieben und es gab wenig Alternativen mit dem Bus weiter zu kommen. Schließlich mussten wir aussteigen und die letzten 10 min zu Fuß erledigen.
Mit uns auf dem Platz war auch Zach Ziemek, Nr. 4 der Zehnkampf-Weltrangliste und Student an der Universität. Sehr beeindruckt haben vor allem seine Stabhochsprung-Übungen.
Nachmittags ging es dann bei heftigem Gewitter in das Madison College, wo ein Trainer der Milwaukee Bucks mit den Spielern ein Basketballtraining durchführte. Ungewohnte Abläufe zwar, aber auch ein paar Naturtalente unter unseren Spielern. Alle hatten Spaß, waren aber auch stark gefordert.
Zusammen mit den Physios habe ich die Zeiten dazwischen für Behandlungen und sportmedizinische Medizin-Checks genutzt. Am Anfang der Saison sind diese für alle Spieler von der Liga vorgeschrieben. Mein Part sind dabei die orthopädischen Untersuchungen. Meine Kollegen müssen allgemeinmedizinische Checks, Blut-, Belastungs-EKG-Untersuchungen und Echokardiographieen des Herzens ergänzen.
Zusätzlich werden neurologische Baseline Untersuchungen durchgeführt, die von uns nach einer Kopfverletzung Vergleiche zur Situation vor dem Unfall ermöglichen - damit wird das „Return to Play“ gesteuert.
Part III
Der gestrige Sturm, der während des Basketball-Traninings tobte, hat hier ähnliche Verwüstungen wie in Paderborn hinterlassen. Eine Zeit lang war es fraglich, ob das Trainingsgelände überhaupt zu nutzen sei. Nach Aufräumarbeiten konnte es aber stattfinden.
Die Zeit habe ich mit zwei Aufsichtsratmitgliedern für eine Radtour um den Lake Monona genutzt. Knapp 20 Kilometer an fantastischen Seegrundstücken vorbei bei schwülen 36°C. Eine richtige Sommeridylle. Allerdings sind die Winter hier hart und der See ist an ca 120 Tagen zugefroren. An vielen Stellen kamen wir mit anderen Bikern ins Gespräch. Dabei wurden wir mehrfach auf den Tornado in Paderborn angesprochen, der durch die Presseaufmerksamkeit unserer Tour vielen präsent ist.
Danach hieß es für mich wieder weitere Medizinchecks zu beenden, die ich zusammen mit den Physios und auch den Athletiktrainern dann bespreche. Es sind drei Physiotherapeuten und zwei Athletiktrainer hierher mitgereist.
Bei den hohen Temperaturen war die Mannschaft froh, dass das Nachmittagstraining als Krafttraining in einem klimatisierten Gym stattfand.
Hier einmal ein typischer Tagesablauf für die Mannschaft:
06:00-09:00: Frühstück
10:30-12:00: Training
Danach individuelle Physio-Behandlungen
13:00: Mittagessen
Danach individuelle Physio-Behandlungen
15:00-16:30: Krafttraining
Danach individuelle Physio-Behandlungen
18:30: Abendessen
19:15: Videoanalyse
Es wird also mittags und abends warmes Essen, vor allem Pasta, für die Spieler bereitet.
Für das Funktionsteam stand gestern Abend allerdings noch der Besuch eines Steakhouses an. Um 1:00 war ich dann auch im Bett...
Part IV
Wie üblich hatten wir am Morgen eine Trainingseinheit. Dabei erreichte uns die Nachricht, dass aufgrund einer erneuten Sturmwarnung das Testspiel um einen Tag auf Donnerstag verschoben wurde.
Daher konnten wir am Nachmittag die Sportanlagen der Universität von Wisconsin besuchen, ein Trainings- und Rehacenter mit 150. Mio $ Jahresbudget! Wir wurden durch sehr viele Indoor-Fields z.B. für American Football, aber auch Leichtathletik, Fußball etc. geführt. Aufgrund der kalten Wintertemperaturen ist dies erforderlich. Sehr beeindruckend auch das große Reha- und Medicalcenter, das es mit jedem guten Krankenhaus aufnehmen kann.
Die Wertigkeit der Sportarten wird einem am eindrücklichsten in den Umkleideräumen vor Augen geführt. Die Fußballer haben eine Kabine wie wir sie aus der Schule kennen, die Footballer einen echten Palast für die ca. 100 Teammitglieder, in dem jeder einzelne Spieler einen komfortablen (von einem Alumni gesponsorten) Platz hat. Allein durch die TV-Einnahmen nimmt die Uni einen hohen zweistelligen Millionenbetrag ein. Da die Spieler Studenten mit einem Stipendium aber ohne Bezahlung sind, fließt das reichliche Geld in die Infrastruktur, Ausrüstung und den Trainerstab. Die Spieler können hoffen bei den Drafts für eine Profimannschaft ausgewählt zu werden. Unfassbar gute Trainingsbedingungen!
Als wir dann ins Hotel zurückkamen, brach der Sturm los. Wind in Orkanstärke und Regen, so dass man keine 3 Meter weit gucken konnte. Aber nach 30 Minuten war alles vorbei, und man konnte wieder spazieren gehen.
Am Donnerstag morgen noch eine kurze Trainingseinheit, nun im Stadion von Madison Forward, da die Rasenplätze aufgrund des Sturmes unbespielbar waren. In Deutschland wird in den oberen 4 Ligen ausschließlich auf Naturrasen gespielt. Dies ist deutlich schonender für die Gelenke und deutlich weniger verletzungsanfällig. Daher war keiner begeistert sowohl das Training als auch das Spiel auf Kunstrasen zu haben.
Mittags standen für mich die verbliebenen Medizinchecks auf dem Plan, und dann für alle die Vorbereitung auf das Spiel gegen Madison Forward.
In diesen Testspielen werden möglichst alle Spieler je 45 min eingesetzt, um jeden einzelnen besser beurteilen zu können, aber auch um Spielzüge auszuprobieren. Es steht also nicht immer die nominell beste Mannschaft auf dem Platz, das Ergebnis ist zweitrangig. Da unsere in Rehabilitation befindlichen Spieler nicht auf dem Kunstrasen spielen sollten, mussten einige in der Nachmittagshitze auf dem aufgeheizten Platz für 90 min spielen. Das Spiel endete 2:1 für den SCP. Es war für mich ein Laufeinsatz auf dem Platz zu verzeichnen, aber alle Spieler bleiben von grösseren Blessuren verschont. Einige oberflächliche Schürf- und Brandwunden durch den Kunststoffuntergrund waren harmlos.
Bei den Zuschauern und Spielern haben wir uns mit vielen Merchandise Artikeln und guten Gesprächen für die Gastfreundschaft bedankt.
Part V
Am heutigen Freitag werden die Zelte in Madison abgebrochen. Es steht noch ein morgendliches kurzes Training auf einem neuen Sportplatz an, danach geht es noch einmal zu einem Krafttraining in ein Gym. Ich habe mir die Freiheit genommen, mit den zwei verbliebenen Gremienmitgliedern eine Radtour um den größeren See zu machen. Sehr schöne Seegrundstücke mit phantastischen Villen belohnen uns.
Während die Spieler nach dem Duschen Mittag essen, tragen wir unsere Sachen zusammen und in den Bus. Unser Zeugwart Bodo hat große Probleme, die Trainingskleidung noch rechtzeitig vor Abfahrt gewaschen zu bekommen, macht aber wie immer alles möglich. So kann unser Bus um 15:00 die heutige Fahrt nach Chicago antreten.
Leider gelangen wir gegen Ende in einen einstündigen Rush-Hour Stau, der uns sehr spät nach Downtown kommen lässt. So bleibt nur ein kurzes Umziehen im Hotel. Leider gibt es Verzögerungen dadurch, dass für die 40 Stockwerke des Hotels nur 3 Fahrstühle für je 6 Personen vorhanden sind. So treffen wir nicht ganz pünktlich um 7 pm im Hancock Tower im 96. Stock zum Teamabend ein. Belohnt werden wir bei Cocktails mit einem grandiosen Blick auf die Stadt bei untergehender Sonne. Der Kellner erzählt uns, dass er bereits 1994 bei der Fussball-WM das deutsche Team an gleicher Stelle bedient hat. Das Team spielte seinerzeit 1:1 gegen Spanien in der Vorrunde und schied dann früh aus. Effenbergs Mittelfinger Affäre blieb sicher vielen im Gedächtnis.
Bei einem ausgezeichneten Essen kommt es dann zu einem Ritual, welches ich zum ersten Mal erlebe. Alle neuen Spieler und Staffmitglieder müssen sich mit einem selbstgewählten Karaoke Song einführen. Unser neuer Physio startet mit „Helden geben nie auf“. Dies hebt schnell die Stimmung und alle singen mit, so dass sich andere Gäste trotz abgeschottetem Raum über uns beschweren. Ganz untypisch für Amerika können wir bis 0:00 bleiben, feiern und Spaß haben und gehen als letzte aus dem bereits lange geleertem Restaurant. Danach ziehen die meisten noch ins Nachtleben, welches aber um diese Zeit in Downtown nur noch an wenigen Stellen möglich ist. Dementsprechend treffen sich die einzelnen Grüppchen immer wieder in den verbliebenen Clubs.
Der Samstag ist weitgehend zur freien Verfügung. Nur noch ein kurzes abschließendes Training, danach geht es in Gruppen in die Stadt. Jeder erkundet Teile der Stadt auf seine Weise. Zusammen kommen wir alle wieder abends um 19:00, um das Major League Soccer Spiel Chicago Fire vs DC United zu sehen. In dem riesigen Stadion Soldier Field, welches eigentlich die Chicago Bears Footballer nutzen, ist nur ca. eine Fünftel der Ränge besetzt. Aber das kennen wir ja aus Paderborn.
Chicago Fire war die letzte Station von Bastian Schweinsteiger. Derzeit ist Xerdan Shaquiri der Star der Truppe - leider aber verletzt. Das Spiel ist in taktischer wie athletischer Sicht sehr enttäuschend und entspricht eher dem Niveau der Oberliga. Am Ende gibt es ein müdes 1:0 für Chicago.
Der ca. 5 Kilometer lange Rückweg wird auf sehr unterschiedliche Weise zurückgelegt. Öffentlicher Bus, Uber, Taxi, Fahrrad oder zu Fuß. Die meisten haben den Abend dann in der Stadt ausklingen lassen. Bei tollem Wetter hatte jeder einen tollen Abschlusstag erlebt.
Ich verabschiede mich von der Mannschaft, da ich am nächsten Morgen früh zu meinem Amerikanischem Bruder nach Boston weiter fliege. Der Rest der Mannschaft startet mittags über Amsterdam nach Paderborn zurück.
Die Interviews der Trainer und des Sportdirektor zeigen, dass es sich gelohnt hat. Die neu zusammengestellte Mannschaft hat sich sehr früh zusammenfinden können und ist gut im Aufbautraining angekommen. Es sind bereits zwei Testspiele gelaufen, ehe die Mitbewerber der Liga mit der Saisonvorbereitung begonnen haben. Und der Erfolg der Arbeit der begleitenden Presse- und der Social-Media-Abteilung ist überwältigend. Da wir für den deutschen Fußball Werbung gemacht haben, wird auch ein substanzieller Anteil der Kosten von der DFL getragen.
Dazu kommen die vielen tollen Erfahrungen mit der herzlichen Art der Amerikaner. Alle sind an Erfahrung reicher und zufrieden nach Hause gefahren.
Es war zwar Arbeit im Urlaub, aber die hat viele neue Erfahrungen gebracht und auch mich reicher gemacht!
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Baseline Test
Hallo Dr. Mahlke, toller Bericht! Ich freu mich schon auf den nächsten Eintrag und bin total gespannt, nach der Rückkehr mehr über den Baseline Test zu hören und über Unterschiede beim Training. Wenn die mediale Aufmerksamkeit so hoch ist, dass ESPN Chigaco berichtet, würde ich mich über einen Link zum Podcast freuen. Viele Grüße und noch viel Spaß, Ulrike Liebrenz