Monatsimpuls
Von Schwester Katharina Mock, Generaloberin der Vincentinerinnen

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
der Oktober war in diesem Jahr ein wirklicher Vorbote des Monats November. Die Tage waren nicht nur schon sehr kalt und nass, sondern auch trüb und dunkel.
Die Blätter an den Bäumen haben sich verfärbt und alles deutet auf Tod und Vergehen hin.
Im Christentum ist es Tradition, dass wir uns im Monat November im Besonderen an unsere Verstorbenen und an unsere eigene Endlichkeit und unseren Tod erinnern. In vielen Ordensgemeinschaften und Klöstern ist es eine gute Tradition, einmal im Monat einen spirituellen Einkehrtag zu halten.
In früheren Jahren wurde dieser Tag in unserer Gemeinschaft „Sterbetag“ genannt. Dieser Tag sollte dazu dienen, sich auf das eigene Sterben vorzubereiten und darüber zu meditieren in welchem Zustand sich der Geist und die Seele befinden soll, wenn das irdische Leben der Vollendung entgegengeht.
Diese geistliche Übung sollte auch dazu dienen dem unausweichlichen Tod seine Bedrohung zu nehmen.
Heute werden die Gedanken an die Endlichkeit unseres menschlichen Lebens meist sehr weit verdrängt.
Viele Menschen, gerade in medizinischen und pflegerischen Berufen erleben das Sterben von Menschen als persönliches Scheitern. 1984 hat der Liedermacher Reinhard Mey einen Liedtext geschrieben, in dem er das Thema Sterben und Tod in besonderer Weise verdichtet hat:
„Du hast mir schon Fragen gestellt über „Gott und die Welt“, und meist konnt‘ ich dir Antwort geben.
Doch jetzt bringst du mich aus dem Lot mit deiner Frage nach dem Tod und „was ist, wenn wir nicht mehr leben?“
Da muss ich passen, tut mir leid, niemand weiß da so recht Bescheid, solang es Menschen gibt auf Erden.
Ich stelle mir das Sterben vor so wie ein großes, helles Tor, durch das wir einmal gehen werden.
Dahinter liegt der Quell des Lichts, oder das Meer, vielleicht auch nichts, vielleicht ein Park mit grünen Bänken.
Doch eh‘ nicht jemand wiederkehrt und mich eines Bess‘ren belehrt, möcht‘ ich mir dort den Himmel denken.
Höher, als Wolkentürme steh‘n, höher noch, als Luftstraßen geh‘n, Jets ihre weißen Bahnen schreiben, jenseits der Grenzen unsrer Zeit, ein Raum der Schwerelosigkeit, ein guter Platz, um dort zu bleiben.
Fernab von Zwietracht, Angst und Leid, in Frieden und Gelassenheit, weil wir nichts brauchen, nichts vermissen.
Und es ist tröstlich, wie ich find‘, die uns vorangegangen sind, und die wir lieben, dort zu wissen.
Und der Gedanke, irgendwann auch durch dies Tor zu geh‘n, hat dann nichts Drohendes, er mahnt uns eben,
jede Minute bis dahin, wie ein Geschenk, mit wachem Sinn, in tiefen Zügen zu erleben.
Der Monat November lädt uns ein, über den Sinn und das Ziel unseres Lebens nachzudenken. Vielleicht kommen Ihnen ähnliche Gedanken, wie sie Reinhard Mey in Versform gebracht hat. Vielleicht bringt Sie das Nachdenken über die Endlichkeit und den Sinn des eigenen Lebens auch dazu, in der eigenen Endlichkeit und in der Endlichkeit der Menschen, nichts Bedrohliches und Angstmachendes zu sehen, sondern wie der heilige Franziskus, den Tod als Bruder wahrzunehmen, der uns zur Vollendung unseres Lebens führen will, zu einem Leben fernab von Unfrieden, Angst, Leid und Misstrauen.
Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit und dass Sie Ihr Leben als Geschenk, mit wachem Sinn und in tiefen Zügen erleben und mit Freude ihr Leben genießen.
Ihre
Schwester M. Katharina
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