Babytagebuch - die ersten Tage aus der Sicht eines neugeborenen Babys
Rosmarie Werbeck, Stillberaterin, über die Abläufe auf der Geburtshilflichen Station

Nach der Geburt
So, ich bin da! Das war vielleicht eine Arbeit! Es war so wunderschön, als ich es endlich geschafft hatte und die Hebamme mich gleich auf die nackte Haut meiner Mama legte! Ich hab erstmal ein paar Minuten ausruhen müssen, das tat so gut, wieder den Herzschlag der Mama zu spüren, ihre Stimme zu hören, die nun lauter klingt als vorher, aber sehr vertraut! Auch den Papa hab ich gleich erkannt. Mama hat mich ganz zärtlich gestreichelt, das fühlte sich sooo schön an. Und dann hab ich zu ihr hoch gesehen und ihr Gesicht gesucht. Wir haben uns ganz tief in die Augen geschaut und uns auch ohne Worte gefreut, dass ich nun da bin. Irgendwie hatte ich dann das Gefühl saugen zu wollen. Das war gar nicht schwer, denn die Brust meiner Mama war ja ganz nah. Ich hab sofort begriffen, was ich da machen muss. Eine Weile hab ich dann zufrieden an der Brust gesaugt und leckere Milch, die Vormilch, getrunken. Dann wurde ich so müde! Ich war schon zwei Stunden alt, da darf man müde werden. Bin einfach eingeschlafen, und ich durfte dabei immer noch auf der nackten Brust der Mama bleiben. Die Schwestern haben gesagt, dass das gut ist für ein neugeborenes Kind, da fühlt es sich rundherum sicher und geborgen. Ja, das kann ich nur bestätigen! Es ist fast alles so wie im Bauch: Wärme, ich spüre Mama atmen, ihre Bewegungen, höre ihren Herzschlag und ihre Stimme. Herrlich! Und weil Mama, Papa und ich ein Familienzimmer (auf der Geburtshilflichen Station) haben, kann ich jederzeit auch auf Papas nackter Brust liegen. Da gibt es zwar keine Milch, aber dafür jede Menge Wärme und genauso viel liebe Worte wie bei Mama. Ach, es ist herrlich, ich genieße es bei ihnen zu sein!
Ein paar Stunden später
Naja, so schön es ist, bei Mama und Papa zu liegen, so blöd ist es, wenn ich gewickelt werden muss. Daran ist nur die Schwester schuld, die sich um uns drei kümmert. Sie meinte, ich würde nun schon zu lange schlafen, es wäre mal Zeit zum Wickeln und Temperaturmessen. Das hab ich natürlich gar nicht verstanden, warum die das machen müssen. Die Schwester hat Papa gezeigt, wie ich gewickelt werde. Auch wenn die Wärmelampe an war, ich hab mich so nackt gar nicht wohl gefühlt auf dem Wickeltisch. Ok, als dann alles vorbei war und ich meine neue Windel anhatte, war das doch ganz angenehm. Vor allem, weil die Schwester meinte, ich müsse mal wieder trinken. Ich habe ja gar nicht geahnt, wie hungrig ich schon wieder war! Gut, dass die Schwester meine Eltern und mich daran erinnert hat! Ich hab ganz wunderbar an beiden Seiten getrunken, bestimmt eine halbe Stunde lang. Doch dann, das war ja klar, bin ich wieder eingeschlafen. Immer noch schön warm und nackt, diesmal wieder bei Papa auf der Brust.
Die erste Nacht
Wir waren alle so erschöpft von meiner Geburt, dass Papa und ich erst mal tief und fest geschlafen haben. Mama konnte allerdings erst gar nicht einschlafen. Sie hat sich so gefreut, dass ich da bin. Ich hörte, wie die Nachtschwester Mama erzählte, dass das allen Müttern nach der Geburt so geht. Die Hormone seien schuld. Ich konnte umso besser schlafen, musste aber nachts doch einmal gewickelt werden und das Fieberthermometer konnte ich auch nicht verhindern. Getrunken hab ich auch noch mal, mhh, lecker! Es ist immer Milch da, wenn ich sauge! Das ist ja eine wunderbare Sache für uns Babys! Es fühlt sich für mich einfach herrlich an, wenn ich saugen darf. Aber die Schwestern sagen, es sei nicht so gut, wenn ich stundenlang die Brust im Mund habe. Besser seien häufige, dafür nicht so lange Mahlzeiten, damit sich die Brustwarzen erstmal an meinen kleinen, hungrigen Mund gewöhnen können. Ich werde beim Trinken immer wieder in eine andere Position gebracht. Mir egal, Hauptsache, ich kann gut saugen! Es ist nur wichtig, dass ich bequem liege, weil es sonst irgendwann furchtbar ungemütlich wird. Mama muss sich dabei entspannen, das merke ich genau. Aber die Schwestern von der Station helfen immer. Sie sagen, das wäre wichtig, damit die Brustwarzen nicht wund werden. Wenn es für Mama gut ist, dann ist es auch gut für mich. Glaube ich.Am Morgen haben sie mich nach dem Stillen und Wickeln angezogen. Erst fand ich das sehr empörend! Alles war so neu für mich: den Body über den Kopf gezogen bekommen, die Ärmel in das Jäckchen gesteckt. Dann wurde ich auf den Bauch gedreht, damit das Jäckchen zugebunden werden konnte. Dann wieder zurück auf den Rücken. Ich fand es auf dem Bauch auch ganz gemütlich, aber das habe ich der Schwester nicht sagen können. Nur Mama hat mich verstanden, weil ich so gebrüllt habe. Sie merkte schon, dass ich am liebsten bei ihr oder Papa bin. Glücklicherweise hörten sie dann auf, als ich den Strampler an hatte. Und ehrlich, Leute: so schlimm ist es nicht, auch wenn ich so viel lieber nackt auf der Haut meiner Eltern liege.
Der erste Tag
Nun bin ich schon einen Tag alt! Außer Trinken und Schlafen hab ich noch nicht so viel erlebt. Aber heute Nachmittag war es anstrengend. Mama und Papa hatten so viel Besuch! Alle wollten mich kennen lernen. Oma und Opa, Omi und Opi, meine Patentante, ihr Freund, und Mamas beste Freundin. Jeder wollte mich auf den Arm nehmen und mit mir schmusen. Ganz ehrlich: das war mir echt zuviel! Schließlich bin ich doch gerade selbst noch dabei, Mama und Papa kennen zu lernen. Ich hab nur noch gebrüllt, so laut ich konnte. Da holten Mama und Papa die Schwester herbei und die meinte, das sei für mich bestimmt zu aufregend. Deshalb haben die Besucher sich verabschiedet und kommen ein andermal wieder. Ich möchte sie wirklich alle so gern kennen lernen, aber bitte jetzt noch nicht. Ich brauche noch sehr viel Ruhe. Mama ging es auch viel besser, als alle wieder weg waren. Dann hab ich noch ein bisschen getrunken, Mama hat mich diesmal ganz allein angelegt, wir beide werden schon ein Team, ich freu mich! Danach haben wir beide richtig gut und fest geschlafen, bis das Abendessen kam.
Die zweite Nacht
Oh, was bin ich nun müde!! Ich konnte heute Nacht einfach nicht schlafen. Ich weiß auch nicht, warum. Mama hat mich so lieb im Arm gehalten, mich gestillt, Papa trug mich herum, aber ich musste einfach immer nur weinen. Mein Bauch tat mir weh! Ich konnte nichts machen, damit es aufhörte. Hab die Beinchen angezogen und gestreckt, aber es wurde und wurde nicht besser. Mama hat sogar mein Bäuchlein massiert, das tat gut, aber ich hatte immer noch Bauchschmerzen. Dann hatte Papa irgendwann genug und rief die Schwester. Sie sagte gleich, ich hätte sicher Bauchschmerzen (woher die das wohl wusste?!) und schlug vor, mir ein paar Globuli zu geben, und mich in ein Handtuch einzuwickeln. Die Globuli sind kleine Zuckerkügelchen, die mir gut schmeckten. Dann kam etwas Warmes auf meinen Bauch, ein Wärmekissen. Allerdings wickelte mich dann die Schwester ganz fest in ein Handtuch, so dass ich mich nicht mehr so viel bewegen konnte. Erst fand ich das total ungemütlich, aber Mama trug mich noch ein bisschen und tatsächlich konnte ich dann sehr schnell entspannen und einschlafen.
Hungrig war ich ja nun wirklich nicht. Ich hatte so viel getrunken! Aber genau das war wohl der Grund, dass ich so schlimmes Bauchweh bekam. Die Schwestern meinen, dass sich der kleine Bauch erst an die Nahrung gewöhnen muss. Da hoffe ich mal, dass das nicht so lange dauert! Übrigens hab ich dann mehr als vier Stunden geschlafen und musste geweckt werden, weil es mal wieder nötig war, die Windel zu wechseln.
Der zweite Tag
Als ich heute geweckt wurde, musste ich erst mühsam wieder klar kommen, ich hatte so tief und fest geschlafen! Nun war ich natürlich auch wieder hungrig, Mama hat mich gleich gestillt. Es kommt schon viel mehr Milch als gleich nach der Geburt. Leider tun Mama nun doch die Brustwarzen ein bisschen weh, aber es gibt eine Salbe, die sie verwenden darf, die schmeckt nach gar nichts. Die Schwester, die Mama und mich betreut, sagte, sie hätten ziemlich viele Möglichkeiten, die Brustwarzen zu behandeln, damit es nicht schlimmer wird. Das ist ja gut! Denn ich muss wirklich ganz oft trinken, manchmal habe ich schon nach zwei Stunden wieder Hunger. Vor allem am Nachmittag und gegen Abend hab ich das Gefühl, ich möchte dauernd Mama schmecken und bei ihr sein. Auch das ist ganz normal, sagen die Schwestern. Total unschön war das Wickeln und Wiegen im Untersuchungsraum für Kinder. Das muss aber einmal in 24 Stunden gemacht werden. Wenn ein Baby mindestens 36 Stunden alt ist, muss auch Blut abgenommen werden. Gut, dass ich davon keine Ahnung hatte! Mama sagte zu mir, das wäre eine wichtige Vorsorgeuntersuchung und Papa würde dabei sein. Eine Schwester gab mir ein paar sehr süße Tropfen in den Mund, oh, die schmeckten ja so lecker! Eh ich mich versah, hatte mich Papa hochgehoben und die Schwester entnahm aus meinem vorgewärmten Füßchen einige Tropfen Blut und tupfte sie auf eine Karte. Das war nicht so schlimm, wie es sich anhört. Papa hielt mich ja und flüsterte mir tröstende Worte zu. So war das Ganze schnell vorbei und ich habe gar nicht geweint. Dann wurde ich ausgezogen, gewogen, mein Nabel wurde mit einer kühlen Flüssigkeit gereinigt und anschließend wurden auch noch Gesicht, Hände und mein Po gewaschen! Dabei musste ich brüllen was das Zeug hielt, aber niemand hat sich darum gekümmert. So ein Ärger! Gut dass ich dann wieder mit Mama kuscheln durfte, sie hat mich auch wieder nackt auf die Brust gelegt. Darauf bin ich dann nach dem Stillen auch zufrieden wieder eingeschlafen.
Der dritte Tag
Ich gewöhne mich wirklich allmählich an das Leben hier draußen. Mama und Papa machen es mir leicht, sie kuscheln so viel mit mir und halten mich oft im Arm. Im Bettchen bin ich fast gar nicht, nur über den Flur darf ich nicht getragen werden, sondern muss im Bettchen liegen. Ich fange auch an, mir alles anzugucken, was es so zu sehen gibt. Ich schaue Gesichter total gern an, vor allem die von Mama und Papa. Die zwei sind davon ganz begeistert! Das macht mich auch froh.
Ich kann schon eine Menge sehen, aber nicht sehr weit. Ist ja auch noch nicht nötig, das werde ich mit der Zeit schon lernen. Hören kann ich gut! Das hat heute ein Hörtest bewiesen, den eine Schwester gemacht hat, als ich tief und fest schlief. Dass ich gut hören kann, hätte ich ihnen längst sagen können. Aber ich kann ja noch nicht sprechen.
Wenn ich weine, müssen Mama und Papa erst herausfinden, was los ist. Die Schwestern geben ihnen viele Tipps - sie kennen uns Babys wohl gut. Es stimmt: wenn ich weine, möchte ich Mama und Papa sagen: ich habe Hunger und Durst, oder: ich habe eine volle Windel, das ist total unangenehm…. Oder: ich habe Bauchweh, bitte tragt mich ein bisschen…. Oder: ich hab gerade solche Sehnsucht und fühle mich ganz allein, bitte zeigt mir, dass Ihr da seid…. Oder: ich bin sehr müde und komme einfach nicht zur Ruhe, dafür brauche ich euch...
Mit der Zeit werden meine Eltern mein Rufen verstehen lernen, sagen die Schwestern. Davon bin ich auch überzeugt! Es ist einfach so, dass ich mich nur richtig und gut fühlen kann, wenn mich jemand hört und mir hilft. Ich kann doch noch gar nichts allein machen!
Heute Mittag kommt der Kinderarzt. Denn heute dürfen wir nach Hause gehen. Ich muss aber noch vom Kinderarzt untersucht werden. Sie nennen das die U2, die zweite Vorsorgeuntersuchung. Bin gespannt!
Mama hat mich für den Kinderarzt ganz ausgezogen und mich vorsichtshalber noch mal gestillt, bevor es losging. Es ist übrigens jetzt ganz viel Milch da, so viel kann ich gar nicht trinken, aber ich bin nun auch noch häufiger hungrig als vorher. Mama ist sehr froh, dass ich so oft trinke! Nun werde ich sicher auch bald zunehmen. Mama hat sich schon Sorgen gemacht, weil ich abgenommen habe. Aber das ist ganz normal, sagten die Schwestern.
Bis der Kinderarzt ins Zimmer kam, haben wir wieder zusammen im Bett gekuschelt, davon kann ich gar nicht genug bekommen! Der Arzt hat mich abgehört und dann gesagt, es wäre alles in Ordnung mit meinem Herzchen. Dann gings los: Er hat meinen ganzen kleinen Körper abgetastet, gefühlt, ob in meinem Mund alles ok ist, mir mit einer Lampe in die Augen geleuchtet, mich hochgehoben, meine Reflexe geprüft und zum Schluss gemeint, ich wäre fabelhaft gesund.
Dafür musste das alles gemacht werden!? Ich war hochrot im Gesicht und hab kaum noch Luft geholt, so hab ich gebrüllt! Der Arzt hat nur gelacht und gesagt, mit mir hätten sie bestimmt noch eine Menge Spaß. Was er damit wohl gemeint hat? Jedenfalls hat mich Mama dann gleich wieder gestillt, obwohl ich gar keinen Hunger hatte. Ich beruhige mich an der Brust nun mal am schnellsten. Dann hat sie mich angezogen und Papa legte mich in eine Schale, das sei ein Autositz, haben sie gesagt. Meine Entlassung hab ich verschlafen, ich war aber auch fertig von all der Aufregung mit dem Kinderarzt!
Die ersten Tage im Krankenhaus waren ganz schön, finde ich. Was nun kommt, weiß ich noch nicht.
Ich bin sehr gespannt auf das Abenteuer Leben!
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