Teilnahme am Paderborner Osterlauf
Otto Farke, Gesundheits- & Krankenpflegeschüler, über die Teilnahme der St. Vincenz-Schulen am Paderborner Osterlauf

Hallo, ich heiße Otto. Ich bin Gesundheits- & Krankenpflegeschüler beim St. Vincenz in Paderborn, zu dem mehrere Schulen gehören, die in Pflege und Hebammenwesen ausbilden. Dieses Jahr bot das St. Vincenz uns an, beim Osterlauf in Paderborn teilzunehmen. Im folgenden Text schildere ich meine Sicht der Dinge und möchte einen kleinen Einblick geben. Ich hoffe er gefällt.
Der Paderborner Osterlauf ist der älteste Volks- und Straßenlauf in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Er fand erstmals 1947 statt und jetzt, im Jahr 2016, hat er sein 70stes Jubiläum. Jo, ich hab auch ein bisschen gebraucht bis bei mir die Rechnung aufging, aber sie geht auf.
Neben dem 5 km-Lauf, 10 km-Lauf und dem Halbmarathon gibt es noch zahlreiche andere Disziplinen, die aber niemanden ernsthaft interessieren. Die gibt’s zwar, aber ich kenn keinen, der sie macht oder überhaupt kennt. Also lasse ich diese mal außen vor. Genug zur Geschichte, das hier soll kein Wikipedia Eintrag werden, sondern meine persönliche Schilderung zu den Geschehnissen.
Zum ersten Mal bot das St. Vincenz-Krankenhaus ein gemeinsames Laufen zum Osterlauf an. Dafür gibt’s sogar gratis T-Shirts und ´nen feuchten Händedruck. Und außerdem werden einem die Anmeldegebühren erstattet. Eigentlich bin ich kein sportlicher Typ, also so gar nicht gar nicht, aber dennoch, wenn einem die Anmeldegebühren erstattet werden und das Ganze gratis ist, warum nicht? Ich meldete mich mit meinem Azubikollegen David an... der natürlich sich ein paar Tage vorher eine Grippe einfing und nicht mitlaufen konnte. David, du tust mir echt leid. Es war ziemlich geil.
Da ich immer nur mit David trainierte und dieser jetzt nicht da ist, wackle ich sichtlich aufgeregt zum vereinbarten Treffpunkt für alle Läufer des 10 km-Laufs. Alle Läufer der Krankenpflegeschule sollten sich nämlich eine Stunde vor Startschuss treffen. Um sich nochmal auszutauschen, um mit den angestrebten Zeiten, die man zu erreichen versucht, anzugeben und um ein Foto zu machen. Ein Foto vorher (gut aussehend, sehr vital aber tierisch aufgeregt) und ein Foto nachher (verschwitzt, völlig zerstört aber glücklich).
Folglich gehen wir alle zum Startblock. Wobei zwängen eher passen würde. Denn erst jetzt fällt einem auf, wie viele da mitmachen. Ich kann es in Zahlen gar nicht nennen! Ne ehrlich nicht, kein Plan wie viele jetzt genau mitmachen. Ich frage Herrn Nickeleit-Risse, unseren Schulleiter, welche Zeit er denn anstrebe. Beiläufig erwähnt er: „45….“
Ich: „Haha, ja, genau, 45, ich auch! Der war gut.“ Er lächelt nur nüchtern. Meint der das ernst?
Und schließlich geht es los! Dabei ist es jetzt nicht so ein Startschuss bei dem man losrast wie ein Bekloppter, eher so, wie wenn man hinter einer endlos langen Schlange an einer Ampel mit seinem Twingo losfährt. Erstmal würgen die ersten Reihen ab, die dahinter sehen nicht, dass es los geht, dann geht noch eine alte Dame mit ihrem Rollator über die Straße, also dauert es nochmal circa zwei Minuten bis es dann wirklich losgeht.
Und die nächste Verwirrung tritt auf. Ich verliere den Anschluss zu den Vincenz-Leuten, denn die Straßen werden nicht gerade breiter, eher enger. So von vierspurige Straße auf Einbahnstraße. Man kommt sich ein bisschen vor, wie in dieser Szene von König der Löwen, bei der dieser Löwenjunge seinen Vater durch eine Herde von wild gewordenen was weiß ich verliert. Ist wirklich wahr. Ergo staut sich nochmal alles und schließlich nach dem Reißverschlussprinzip und Survival of the fittest zieht sich die Masse allmählich auseinander.
Nach circa zwei Kilometern und dem Glauben, dass ich wirklich alle Leute aus dem Blickfeld verloren habe, sehe ich unseren Bildungsreferenten, Herrn Riekötter. Ich erinnere mich daran, dass er unter einer Stunde laufen wollte, ein guter Richtwert für mich. Folglich „prügle“ ich mich durch die Massen voran zu ihm, grüße mit einem stummen Nicken und schließe mich ihm an. Zudem sehe ich, dass auch meine Lehrerin, Frau Dymny, dabei ist.
Während Herr Riekötter mit einer unglaublichen Leichtigkeit das Tempo langsam aber sicher anzieht, sieht man wie Frau Dymny mit hochrotem Kopf etwas verzweifelt zu Herrn Riekötter schaut. Sie ist eher diejenige, die lang laufen kann, aber halt nicht so flott. Bei Herrn Riekötter scheint es andersrum zu sein.
Er reagiert fachmännisch und äußert beiläufig: „Jasmin, Otto und ich ziehen mal ein bisschen an.“
Frau Dymny nickt dankbar.
Wie? Was meint er mit anziehen? Ja wird schon stimmen.
Dann:…
Herr Riekötter zischt ab wie eine Rakete…. Ich nicht.
Nur unter schnaufendem Geächze und einer knallroten Birne halte ich gerade eben so mit.
Oh, mit anziehen meint er Tempo anziehen… oh…
Nach circa vier Kilometern und einem „Beinahe-Kreislaufkollaps“ (den ich natürlich nie vor Herrn Riekötter zugeben würde), wird das Tempo langsamer. Mit überschlagender Stimme, welche von meiner Atemnot noch abgewürgt wird, japse ich: „Danke!“
Ab jetzt läuft eigentlich alles. Nebenbei frage ich Herrn Riekötter, ob Herr Nickeleit-Risse die eben genannte Zeit von 45 Minuten denn wirklich ernst meint.
Herr Riekötter: „Ja.“
Ich: „Jetzt ehrlich? Seit wann läuft der denn schon?“
Herr Riekötters Blick verfinstert sich und gewinnt etwas sehr Ernstes.
„Schon immer.“
Oh, das ist lange.
Nach einiger Zeit überholen wir beide noch ein paar andere von der Vincenz-Schule. Das pusht das Ego und hilft durchzuhalten. Ohne jetzt herabwertend zu sein, aber es pusht schon ein bisschen. Nebenbei sieht man bei der ganzen Lauferei die skurrilsten Sachen.
Bsp.:
Ein Typ in einem Piraten Kostüm.
Ein Typ in einem Hasenkostüm.
Ein Rettungswagen…. Noch ein Rettungswagen… und noch ein Rettungswagen.
Schließlich kommt dann Kilometer sieben, acht, neun… und jetzt kann ich es nicht mehr zurückhalten.
Jetzt zisch ich nämlich ab wie eine Rakete und lass nochmal alles hinter mir!
Den letzten Kilometer, nochmal alles geben! Und so viel ist da auch nicht mehr was ich geben könnte, dennoch! Sich selber noch einmal richtig quälen! Die brüllenden Zuschauer ergeben einen wunderbaren Chor von unverständlichem Nuscheln und die hämmernde Musik im Hintergrund füllt dazu die Lücken. Nichts passt so richtig zusammen, aber irgendwie ergeben die Reize in ihrem chaotischen Bild ein dennoch sehr sinnvolles. Wenn der Asphalt am Beben ist und die Waden brennen, wie die Sonne auf dem Kopf, der Schweiß einem schneckenlangsam von der Nasenspitze herunter tropft, das Bild durch die Anstrengung verzerrt und Kontraste sich verlieren und man unter taumelnden Bewegungen durchs Ziel läuft und folglich….
Völlig in sich zusammenkracht, weil man es total übertrieben hat… Dann ist es das Schönste zu sehen, dass die anderen von der Vincenz-Schule genauso fertig sind, aber auch genauso glücklich, dass man es zusammen durchgezogen hat.
Und ja, Herr Nickeleit-Risse ist um die 45 Minuten gelaufen.
- 2 Kommentare
Der schönste Bericht vom Osterlauf aller Zeiten!
Köstlich! Da muss ich nächstes Jahr auch mitmachen!
Osterlauf
Das freut uns sehr! Viel Erfolg nächstes Jahr!