Interview zum Thema "Neue blutverdünnende Medikamente"
Neue blutverdünnende Medikamente versprechen weniger Risiken - Prof. Götte beantwortet die häufigsten Fragen zu diesem Thema

Bei einigen Patienten (z.B. Patienten mit Vorhofflimmern oder nach einem Schlaganfall) empfehlen Ärzte die Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten – auch Antikoagulantien genannt. Viele Patienten, die dauerhaft solche Medikamente nehmen müssen, überlegen, welche Medikamentengruppe für sie die beste ist – es gibt die herkömmlichen blutverdünnenden Medikamente und die neuen Antikoagulantien (NOAKs). Diese versprechen weniger Risiken bei den Nebenwirkungen. Deshalb hat Prof. Götte einige der häufigsten Fragen zu den neu verfügbaren blutverdünnenden Medikamenten (NOAKs) hier beantwortet:
Sind die neuen Medikamente (NOAKs) aus Ihrer Sicht genug langzeitgetestet, um unerwünschte Nebenwirkungen der Einnahme abschätzen zu können?
Prof. Götte: Die Zahl aller untersuchten Patienten, die über mehrere Jahre diese Medikamente eingenommen haben, liegt bei 80.000. Damit ist diese Gruppe der Medikamente hervorragend wissenschaftlich untersucht.
Gibt es bei einer akuten, stark blutenden Wunde ein schnell wirkendes Gegenmittel gegen die blutverdünnende Wirkung der NOAKs?
Prof. Götte: Bei allen Medikamenten, die die Blutgerinnung beeinflussen, kann es zu Blutungen kommen. Im Notfall konnten bislang dann nur lokale Maßnahmen zur Blutstillung ergriffen werden oder die Ärzte entschieden sich für die Gabe von Blut und Plasma. Ab Februar 2016 ist in der Apotheke des St. Vincenz-Krankenhauses jetzt das erste echte Gegenmittel gegen NOAKs, das innerhalb von wenigen Minuten die gerinnungshemmende Wirkung der Substanzen aufhebt, verfügbar und wird im Notfall bei uns zum Einsatz kommen.
Was sollte man bei einem Wechsel von herkömmlichen auf neuere blutverdünnende Medikamente beachten? Oder ist das eigentlich ganz unproblematisch?
Prof. Götte: Dies ist unproblematisch, wenn der INR-Wert kleiner als 2 ist.
Blutverdünnung ist Blutverdünnung – egal mit welchem Medikament. Kann man dem geringeren intrakraniellen Blutungsrisiko (Hirnblutungen) bei den NOAKs wirklich trauen?
Prof. Götte: Der größte Vorteil der NOAKs ist die massive Reduktion der Gehirnblutungen. Alle bisher verfügbaren Substanzen haben eine erhebliche Verringerung von Blutungen in das Gehirn und den Kopf gezeigt. Die Ergebnisse sind sehr valide.
Wie wird die Medikation bei den NOAKs festgelegt? Bei anderen Medikamenten wird dies ja jeweils vom aktuellen INR-Wert abhängig gemacht, bei den NOAKs entfallen diese regelmäßigen Messungen ja.
Prof. Götte: Die Dosis wird entsprechend des Alters, der Nierenfunktion, dem Körpergewicht und der Begleitmedikation festgelegt. Eine Kontrolle der Gerinnungswerte ist dann nicht erforderlich. Dieses Vorgehen wurde an 80.000 Patienten untersucht und als sicher gefunden.
Was sollte man als Patient mit dauerhafter Antikoagulation im eigenen Verhalten beachten bzw. was sollte man meiden? Darf man z.B. bei Kopfschmerzen auch mal eine Kopfschmerztablette nehmen?
Prof. Götte: Natürlich kann die Einnahme eines Schmerzmittels im Bedarfsfall erfolgen. Eine dauerhafte Kombination sollte bei allen blutverdünnenden Mitteln vermieden werden, da die Häufigkeit von Magen- und Darmblutungen steigen kann. Hier sollte in jedem Fall der Arzt gefragt werden.
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