„Don’t google with Kugel“
Michaela Senger, Redakteurin des „Rossmann babywelt Elternmagazins“, berichtete für die Winterausgabe über die Hebamme Michaela Becker, die in der Frauen- und Kinderklinik St. Louise tätig ist.

Selten sind Schwangere einfach nur guter Hoffnung, stattdessen überinformiert und voller Sorge – zum Bedauern von Hebamme Michaela Becker. Hier erzählt sie von ihren täglichen Erlebnissen im Kreißsaal.
Sorgenvolle Männer, verängstigte und unsichere Schwangere – das Mienenspiel, das sich uns Hebammen im Kreißsaal bietet, ist fast immer gleich. Meine Aufgabe ist deshalb, als Allererstes dem Paar ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Denn wenn die Mutter ruhig ist, entspannt sich auch das Baby im Bauch. Um die Stimmung aufzulockern, erinnere ich die werdenden Eltern auch gerne daran, dass sie doch für einen Kindergeburtstag bei uns sind und es bald etwas zu feiern gibt. Das hilft immer.
Leider sind heute viele werdende Eltern angstbeladen und voller Sorge, ihrem Baby könne etwas passieren. Das liegt zum einen daran, dass sie im Familien- und Freundeskreis schlimme Geburtserlebnisse hören oder weil sie im Internet lesen, was alles bei der Entbindung schiefgehen könnte. Auch die Situation rund um den Hebammenmangel spielt sicher eine Rolle. „Don’t google with Kugel!“ – diesen Tipp kann ich Schwangeren nur ans Herz legen. Die Überinformation, das Bestreben, alle Gefahren schon möglichst im Vorfeld zu kennen und auszuschließen, führt dazu, dass viele die Verantwortung für den Geburtsprozess an uns Hebammen abgeben und schicksalergeben auf unsere Anweisungen warten. Das ist schade, denn der weibliche Körper ist ja von Natur aus daraus ausgerichtet, Kinder zu gebären. Und doch sind Schwangere, die voller Zuversicht zu uns kommen und überzeugt sind, die Geburt meistern zu können, leider die Ausnahme. Vielen fehlt auch eine gute Körperwahrnehmung. Eine Frau, die im Kreißsaal sagt, „vom Gefühl her würde ich das jetzt mal so machen“, habe ich lange nicht mehr erlebt.
Selbst spüren, was gut tut
Die Herausforderung für mich besteht bei solchen Frauen darin, diese während der Geburt immer wieder zu motivieren, auf ihren Körper zu hören. Dass sie selbst merken und äußern, was ihnen gut tut und was nicht. Denn je aktiver und selbstbestimmter eine Frau die Entbindung erlebt, desto positiver sind meist auch die Erinnerungen, die sie später damit verbindet. Deshalb ermuntere ich sie zum Beispiel immer, verschiedene Lagen unter der Geburt auszuprobieren. Vielen geht es nämlich besser, wenn sie sich in den Wehenpausen bewegen und nicht die ganze Zeit auf dem Bett in Rückenlage liegen. Selbstverständlich gibt es auch andere Fälle: angehende Mütter, die mit festen Vorstellungen im Kreißsaal erscheinen, sich akribisch auf die Geburt vorbereitet haben. Diese Frauen sind oft kopfgesteuert und überfordert, wenn die Entbindung nicht so läuft wie geplant. Das führt mitunter leider dazu, dass einige hinterher von sich selbst enttäuscht sind, wenn sie es nicht geschafft haben, das Kind natürlich oder ohne PDA zu gebären – so wie sie es eben geplant hatten. Oft können sie sich dann gar nicht richtig über ihr gesundes Kind freuen. Welches Wunder sie vollbracht haben, ist ihnen gar nicht bewusst. Wie schade!
Vielen Frauen ist nicht bewusst, was ihr Körper leisten kann
Eine Geburt von Anfang bis Ende planen zu wollen, halte ich deshalb nicht nur für falsch, sondern auch für unmöglich. Schon allein wie stark die Wehenschmerzen sein werden, lässt sich im Vorfeld gar nicht einschätzen.
Und jede Frau geht damit auch anders um. Ich empfehle deshalb Frauen, sich sowohl in der Schwangerschaft als
auch bei der Geburt darauf zu konzentrieren, was ihnen gut tut und was ihnen Sicherheit gibt. Egal, ob Yoga, Schwimmen oder Akupunktur, solange dies der Frau in der Schwangerschaft gut tut, ist das völlig in Ordnung.
Und auch für eine PDA bei der Geburt muss sich keine zu ertragen. Unglücklich finde ich es, wenn Väter den Geburtsverlauf behindern, weil sie mit der Situation überfordert sind und ihre Ängste auf ihre Partnerin übertragen. Würden sie einfach nur gute Miene zum unbekannten Spiel machen, ihre Frau motivieren und beruhigen, ihr etwas zum Trinken anbieten und ihr zwischendurch mit einem kalten Waschlappen durchs Gesicht streichen, wäre alles gut. Klappt leider nicht immer. Diese Männer schicke ich dann schon mal zum Kaffeeholen aus dem Kreißsaal. Böse war mir deshalb bisher niemand, denn uns verbindet ja ein gemeinsames Ziel: Frau undKind gesund durch die Geburt zu begleiten.
Das größte Glück seit 20 Jahren
Der Moment, wenn ich einer Mutter nach der Entbindung ihr gesundes Kind in den Arm lege, ist übrigens auch für mich immer wieder das größte Glück. Und ich empfinde es als Privileg, an dieser Freude so direkt partizipieren zu dürfen. An diesem Gefühl ändern auch 20 Jahre Erfahrung in der Geburtshilfe nichts. An einen Arbeitstag ohne Geburt kann ich mich nicht erinnern. Durchschnittlich sechs Entbindungen begleiten wir pro Tag. Entsprechend gut sind unsere fünf Kreißsäle belegt. Da an unserem Haus eine Hebammenschule angeschlossen ist, können wir uns glücklicherweise nicht über Nachwuchsmangel beklagen. Ich weiß allerdings von Kolleginnen,
dass andere Kliniken große Schwierigkeiten haben, offene Hebammenstellen zu besetzen und deshalb die Arbeitsbedingungen dort schlecht sind. Zudem schließen immer mehr Geburtsstationen. Das führt zu Problemen: Schwangere müssen lange Wege bis zur nächsten Entbindungsklinik zurücklegen oder werden von Kliniken abgewiesen, weil die Kreißsäle überfüllt sind. Frauen aber brauchen uns Hebammen während der Geburt an ihrer Seite. Wir geben ihnen Sicherheit. Das erlebe ich jeden Tag. Keine Schwangere sollte sich bei der Geburt allein gelassen fühlen.
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